Mittwoch, Dezember 17, 2025

notfall.

Es gibt Augenblicke, die klingen in Filmen deutlich besser als im echten Leben. Zum Beispiel nachts vor einer Tür stehen und jemandem seine Liebe gestehen. In der Theorie sehr mutig. In der Praxis vor allem sehr überraschend. Ich stand da, barfuß, leicht übermüdet, irgendwo zwischen Mitgefühl und der Frage, ob ich gerade Teil eines Dramas oder eines sehr missverstandenen Moments bin. Er sagte große Sätze. Von Gefühl, von Bedeutung, von „das musste jetzt raus“. Ich holte zwei Gläser Wein. Nickte höflich, während mein Kopf parallel organisierte, die Situation einzuordnen, Grenzen zu halten, niemanden zu verletzen, aber trotzdem sehr deutlich zu sein und bitte keine Szene. Liebe, so viel weiß ich, ist nicht unbedingt ein Notfall, der nachts an der Tür klingeln muss. Sie hält auch Tageslicht aus. Und Kaffee oder Tee. Und ein Gespräch, bei dem beide richtig wach sind. Als die Tür wieder zu war, blieb vor allem ein Gedanke - Mut ist gut. Timing aber auch.

Dienstag, Dezember 16, 2025

yoga.

Wir sitzen in der Küche. Er erzählt. Ich höre aufmerksam zu. Und fange einfach mal an, mein Hemd langsam aufzuknöpfen, dann die Hose und mich auszuziehen. Er schaut irritiert. „Was genau machst Du da?“ Ich lächle. „Mich fürs Yoga umziehen.“ Die 30 Minuten bis zu meiner Yoga-Class haben wir optimal genutzt.

stille.

Das war ein fulminantes Wochenende. Es gibt diese besondere Stille nach einem richtig guten Wochenende. Nicht die unangenehme Stille. Auch nicht die, die etwas vermisst. Eher eine, die Platz lässt. Alles war da. Großartige Gespräche, Lachen, Liebe, Leichtigkeit, Ernsthaftigkeit, so viel Nähe. Nicht zu viel, nicht zu wenig. Und dann ist es vorbei. Früher habe ich dieses Danach falsch gelesen. Als Leere. Als etwas, das man schnell wieder füllen müsste, damit es nicht kippt. Heute weiß ich, dieser Stille fehlt nichts. Sie stimmt. Sie ist kein Abbruch, sondern ein Nachhall. Wie ein Raum, in dem noch Wärme hängt, obwohl niemand mehr spricht. Man muss nichts nachschieben. Nichts erklären. Nichts retten. Ein gutes Wochenende hinterlässt keine Unruhe, sondern Ordnung. Und die fühlt sich leise an. Ich habe gelernt, dieser Stille zu trauen. Nicht alles, was ruhig ist, ist leer. Manches ist einfach ziemlich vollständig.

Montag, Dezember 15, 2025

versionen.

Es gibt eine Version von mir, die mag Weihnachten nicht besonders. Nicht aus Trotz, nicht aus Bitterkeit. Eher aus Klarheit. Es ist meistens zu viel Bedeutung auf zu engem Raum. Zu viele Erwartungen, die man plötzlich erfüllen soll, nur weil das Datum es verlangt. Zu viele Gefühle, die gleichzeitig korrekt und unpraktisch sind. Ich mag einfach keine verordnete Besinnlichkeit. Kein Pflichtgefühl in Geschenkpapier. Keine Nähe, die funktioniert haben muss, weil man sie sonst erklären müsste. Weihnachten bringt sehr sehr gern alte Rollen zurück. Dinge, von denen man dachte, man hätte sie längst abgelegt. Man sitzt am Tisch und merkt, dass manche Versionen von einem selbst erstaunlich hartnäckig sind.

Ich habe grundsätzlich überhaupt nichts gegen schöne gemütliche Lichter. Auch nichts gegen gutes Essen oder ruhige Abende. Ich liebe tolle Tischgespräche. Ich mag nur den Anspruch nicht, dass alles plötzlich heil sein soll. Diese Version von mir sucht kein großes Gefühl. Sie sucht einfach Ruhe. Einen klaren Rahmen. Und Menschen, die nichts von mir wollen, außer da zu sein. Weniger Erwartungen. Mehr Ehrlichkeit. Und genug Abstand, um mich selbst nicht zu verlieren.

Sonntag, Dezember 14, 2025

gewicht.

Ich schreibe Dir nicht, weil ich eine Antwort erwarte. Antworten interessieren mich nur, wenn sie etwas verändern. Du tust das nicht. Ich schreibe Dir, weil Du Dich hartnäckig genug hältst, um eine Fußnote in meiner Identität zu verdienen. Nicht laut. Eher wie ein feiner Riss im Fundament, unsichtbar für alle anderen, aber spürbar, sobald man still genug wird. Du bist kein Problem. Dafür bist Du zu präzise. Du bist ein Hinweis. Ein leises Gewicht, das mich daran erinnert, wo ich war, wo ich stehengeblieben bin und wohin ich ganz sicher nicht zurückgehe. Identität entsteht selten in den lauten Momenten. Sie baut sich aus genau solchen Fragmenten wie Dir. Dingen, die sich festsetzen, ohne zu fragen, und die man irgendwann mitträgt, weil sie ehrlicher über einen sprechen als jede Entscheidung.

Nenn Dich, wie Du willst. Trigger, Erinnerung, Konsequenz. Für mich bist Du ein Marker. Ein stilles „Hier war etwas wichtig“. Und manchmal auch ein „Hier war etwas zu viel“. Identität ist keine saubere Angelegenheit, sie wächst an den Rändern, nicht im Zentrum. Ob Du bleibst? Keine Ahnung. Vielleicht löschst Du Dich irgendwann selbst, weil Du keinen Platz mehr hast. Vielleicht bleibst Du auch, so unscheinbar wie immer, und erinnerst mich daran, welche Version von mir längst ausgedient hat. So oder so, danke für nichts. Und doch für alles. Manche Gewichte verschwinden nicht. Aber sie verändern, wie man steht. Und manchmal reicht genau das.

Samstag, Dezember 13, 2025

feldstudie.

Ich habe etwas herausgefunden. Rein wissenschaftlich natürlich. Man muss ja Daten sammeln, wenn man wissen will, womit man es eigentlich zu tun hat. Sein Geruch bleibt exakt zwei Nächte lang in seinen Shirts, wenn ich sie in seiner Abwesenheit trage. Zwei. Nicht eine mehr. Nicht eine weniger. Danach ist es nur noch Stoff. Neutral. Ohne Aufladeeffekt. Ich habe das gar nicht geplant, das hat sich einfach ergeben. Nennen wir es eine zufällige Feldstudie im Bereich ,unerwartete Biochemie im Schlafzimmer'. Er hat jetzt eine sehr wichtige Aufgabe. Methodisch sauber. Reproduzierbar. Nachladen. Regelmäßig. Sonst bricht die gesamte Datengrundlage zusammen. Und das will ja niemand. Wissenschaft lebt schließlich von Verlässlichkeit. Und ich schlafe so tatsächlich viel besser und ruhiger. 

Freitag, Dezember 12, 2025

leere.

Leere wird oft missverstanden. Die meisten halten sie für ein schwarzes Loch, das man schnell füllen muss, damit man sich selbst nicht hört. Dabei ist sie kein Fehlen, sondern ein Prüfstand. Ein Raum, der nichts kaschiert und niemanden schont. Sie wiegt nicht, weil sie leer ist, sondern weil sie alles abzieht, was man sich sonst einredet. Ein stiller Druck, der nur auftaucht, wenn man aufhört, sich durch Geräusche oder Menschen zu betäuben und abzulenken. Leere ist so brutal ehrlich. Sie sortiert aus, was nie Substanz hatte, und lässt nichts durchgehen. Weder die Ausreden noch die Versionen von einem selbst, die man gepflegt hat, weil sie bequem waren. Sie macht niemanden schwächer, sie zeigt nur, wer ohne Füllmaterial überhaupt noch Haltung hat. Und das ist der eigentliche Grund, warum sie so schwer wirkt. Leere spiegelt nicht das, was man zeigt, sondern das, was übrig bleibt, wenn der ganze Lärm weg ist. Die meisten halten das nicht aus. Für mich ist Leere kein Mangel, sondern ein Maßstab. Und vielleicht erträgt man sie deshalb so schwer. Nicht weil sie fehlt, sondern weil sie zeigt, was nie da war.

Mittwoch, Dezember 10, 2025

weihnachten.

Das erste Weihnachten ohne sie. So oft darüber nachgedacht, wie das wohl mal sein wird. Früher. Ich habe den Gedanken immer weggeschoben, weil ich das nicht ausgehalten habe. Krass und jetzt stehen wir da und es wird das erste Weihnachten ohne sie. Es ist einfach soweit, ohne Rückfrage, ohne Vorbereitung, ohne Übergang. Man glaubt ja immer, man hätte noch Zeit, bis man merkt, dass Zeit irgendwann einfach aufhört. Alles in mir weiß, dass sie fehlt. Nicht laut, nicht dramatisch. Eher wie ein Raum, der plötzlich zu groß ist, weil der wichtigste Mensch nicht mehr darin steht. Ich vermisse ihr Lachen und ihre Zuversicht.

weihnachtspost.

Und dann läufst Du morgens zur Firma, denkst währenddessen über die Organisation der Weihnachtspost nach und plötzlich wird Dir bewusst, dass Du die bis dato wichtigste Karte nicht mehr schreiben wirst. Nie wieder. BÄM! In your face. Das kickt nochmal anders. Ich denke an die letzten Karten, die ich ihr geschrieben habe. Wie sehr kann man sich über Karten freuen? Sie war der Master der Freude über diese kleinen Dinge. Jedesmal klingelte mein Telefon, wenn sie Post bekam.

Dienstag, Dezember 09, 2025

pläne.

Dezember 2025 und die halbe Urlaubsplanung 2026 steht bereits. Das gab's auch noch nie. Und ich musste noch in keine Tüte atmen. Fühlt sich richtig gut an.

Sonntag, Dezember 07, 2025

demut.

Dieses Jahr hat mich nicht einfach nur begleitet. Es hat mich gepackt, geschüttelt, geworfen, als wollte es prüfen, wie viel ein Mensch tragen kann und wie viel ein Herz aushält, bevor es sich neu sortiert. Es hat mich gefordert, in Momenten, in denen ich eigentlich nur atmen wollte. Es hat mich geweitet, an Stellen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie Platz machen können. Es hat mir genommen, unvermittelt, endgültig, schmerzhaft klar. Und es hat mir gegeben, in einer Intensität, die mich manchmal selbst erschreckt. Und jetzt, im Endspurt, kurz vor der Ziellinie eines Jahres, das sich wie ein ganzes Jahrzehnt anfühlt, sitze ich da am Rand, zwischen einem Abschied, der nie ganz leise wird, und einem Ankommen, das mich immer noch staunen lässt.

Da ist Liebe, die mich findet. Da ist Demut, die mich weich macht. Da ist dieses seltsam warme Gefühl, dass Chaos manchmal genau die Form hat, die man braucht, um sich selbst wiederzuerkennen. Und ich denke: Fuck, wie verrückt das alles ist. Wie unerwartet. Wie unlogisch. Wie wunderschön. Wie gleichzeitig das alles. Ein Durcheinander aus Schmerz und Zuversicht, aus Erinnerung und Zukunft, aus Verlust und einem „Wir“, das ich niemals so habe kommen sehen. Und wie seltsam richtig es sich anfühlt. So richtig, dass ich lächeln muss. Trotz allem. Wegen allem. Wir sind einfach so verdammte Glückskinder. Ich bin wirklich dankbar. 

Freitag, Dezember 05, 2025

kanten.

Manchmal falle ich kurz zurück in Räume, in denen es zugig war. In Erinnerungen, die alles andere als schön sind. In Momente, die mich geformt haben wie kaltes Eisen unter einem Hammer. Es gibt Bilder, die sich nicht verabschieden, niemals. Sie wechseln nur den Aggregatzustand, von laut zu leise, von scharf zu dumpf. Aber sie bleiben. Immer. Ich fühle den alten Schmerz. Da ist dieses verdammte Friedhofstor in meinem Kopf. Dieses Geräusch, dieses Schlagen. Es trägt bis heute eine Endgültigkeit in sich, die kein Mensch je wieder aufmachen kann. Und manchmal, wenn ich nicht aufpasse, stehe ich wieder davor. Zehn Jahre später. Sechszehn. Scheißegal. Es rüttelt irgendwo in mir. Nicht lange, nur ein Atemzug. Aber es reicht, um mich still werden zu lassen. Eine Erinnerung mit scharfen Rändern. Und dann schaue ich neben mich, in das Jetzt. In jemanden, der mich anschaut, als hätte er begriffen, dass ich manchmal an Orten stehe, die man nicht erklären kann. Und plötzlich ist da nur Präsenz. Boden. Wärme. Ein Gegenpol zu all dem, was jemals kalt war. Ich muss mich manchmal selbst kneifen, weil das Leben jetzt weicher aussieht, als es sich anfühlt. Weil ich in mir drinnen noch auf harte Kanten vorbereitet bin und stattdessen Hände finde, die halten.

Ich verschwinde manchmal für eine Sekunde. Aber ich komme zurück. Immer. Und jedes Mal ein Stück mehr ganz.